«Die Maurerausbildung muss moderner werden»

Nils Rentsch ist Geschäftsführer der Perrin Frères SA mit ungefähr 300 Mitarbeitenden und rund einem Dutzend Lernenden - Maurer, Verkehrswegbauer und kaufmännisches Personal.

Im Verlauf der letzten zehn Jahre hat sich die Anzahl neuer Mauerlernenden praktisch halbiert. Stellen auch Sie diese Entwicklung fest?

Nils Rentsch: Ja, dieser Rückgang ist in der Tat beunruhigend, auch wenn unser Personalbestand stabil ist. Jedoch wird es immer schwieriger und aufwändiger, Nachwuchs zu finden. Ich denke hier besonders an Maurerlernende, denn es ist einfacher, Verkehrswegbauer zu finden, und dies, obwohl sie für den Berufsschulunterricht bis nach Colombier müssen.

 

Wo sehen Sie die Gründe dafür?

Die Bevölkerung begegnet den Verkehrswegbauern fast täglich und sieht dabei, dass der Beruf immer maschineller wird. Viele Junge entscheiden sich denn auch für eine Strassenbauerlehre, weil ihr Ziel ist, Baumaschinenführer zu werden. Der Maurerberuf hingegen hat ein Imagedefizit. Die Grundlagen der heutigen Maurerausbildung sind rund zwanzig Jahre alt und nicht mehr zeitgemäss. Die Ausbildung muss unbedingt modernisiert und entwickelt werden, damit sie die Art und Weise wiederspiegelt, wie man heute auf dem Bau arbeitet. So sind zum Beispiel die überbetrieblichen Kurse des Maurers nicht sehr modern und heben primär die traditionellen Seiten des Berufs hervor. Die muss man kennen, genauso wie die modernen, technischen Aspekte. Im Gegensatz dazu entsprechen die überbetrieblichen Kurse der Verkehrswegbauer viel mehr dem Zeitgeist. Ich finde, dass sich der Unterricht in Colombier sehen lässt.

 

Während die Branche immer weniger Lernende hat, ist ein Drittel der Angestellten über 50 und wird in den nächsten Jahren in Rente gehen. Haben Sie heute bereits Mühe, offene Stellen zu besetzen?

Das wird in Zukunft tatsächlich ein Problem sein. Momentan gelingt es uns, dies mit Grenzgängern und Fachkräften aus dem EU-Raum aufzufangen. Das Problem macht sich vor allem beim Kader und den Spezialisten wie den Baumaschinenführern bemerkbar. Wir haben jedoch momentan zumindest noch keine Probleme, Maurer und Baupraktiker zu finden. Jedoch haben diese Arbeiter kein EFZ, weshalb es ihnen manchmal an Fachkenntnissen fehlt.

Können Sie die Kadermitarbeitenden denn nicht in der Schweiz rekrutieren?

Der Bauführer-Lehrgang in Frankreich unterscheidet sich stark von jenem der Schweiz. Ennet der Grenze ist die Ausbildung sehr praxisorientiert: Die Bauführer kennen den Berufsalltag im Unternehmen und können den Anforderungen auf der Baustelle gerecht werden. Zudem findet die Ausbildung abwechslungsweise im Klassenzimmer und auf der Baustelle statt, während in der Schweiz dieses Modell lediglich in der Grundbildung bis auf Stufe EFZ angewandt wird, danach aber nicht mehr. In der Romandie entspricht meiner Meinung nach einzig die Bauführerausbildung in Freiburg den Bedürfnissen der Baumeister. Das ist nicht ausreichend. Bei Perrin Frères stellen wir pro Jahr in der Regel einen Praktikanten der Bauführerschule in Fribourg ein. Aber man muss sich schon sehr darum bemühen, um überhaupt einen zu finden...dabei bräuchten wir deren zwei oder drei!

 

Wie stellt man sicher, dass ein Bauführer am Ende seiner Ausbildung über alle nötigen Kenntnisse verfügt? Wäre eine schweizweit einheitliche Abschlussprüfung allenfalls eine Option?

Wieso nicht, solange die Organisation der Prüfung auf regionaler Ebene angesiedelt bleibt und eine gewisse Flexibilität gewährleistet bleibt. In der Schweiz funktionieren zu starre, zentralisierte Lösungen nicht. Man braucht immer eine gewisse Agilität im Umgang mit den regionalen Unterschieden.

 

Wie sieht es mit den Ausbildungen auf Stufe FH aus?

Im Bereich Bauführer bieten die FH und die EPFL keine Ausbildungen mehr an, die an die Bedürfnisse der Unternehmen angepasst sind. Trotzdem haben wir viele Kadermitarbeitende an den FH rekrutiert. Leider haben wir heute keine Gelegenheit mehr, unsere Firma an den Hochschulen vorzustellen. Alles läuft über die Berufsmessen, deren Organisation an spezialisierte Firmen ausgelagert wurde. An dieses Messen mit einem Stand präsent zu sein, ist sehr kostspielig. Zudem hat der Austausch mit den Besuchern nicht die Qualität, die wir vorher an den Schulen hatten. Aus diesen Gründen nehmen wir nicht mehr an diesen Messen teil, sondern möchten vielmehr wieder die Möglichkeit haben, an den Schulen präsent zu sein.

 

Rekrutieren Sie unabhängig vom Berufsprofil auch Quereinsteiger?

Dazu sind wir gerne bereit, nur erhalten wir fast keine solchen Anfragen. Es gibt nur wenige Leute, die sich umschulen lassen für eine Tätigkeit in der Baubranche, trotz der guten Löhne in unserem Sektor. Auch hier glaube ich, dass wir ein Imageproblem haben, welches in städtischen Gebieten wie der Genferseeregion ausgeprägter ist. Die wenigen Erfahrungen, die ich mit Quereinsteigern habe, sind durchwegs positiv. Ich denke beispielsweise an einen meiner sehr guten Poliere, der ursprünglich aus dem Bereich der Optik kommt. Er ist vor rund zwanzig Jahren als Baupraktiker zu uns gestossen und hat seither die Karriereleiter erklommen.

 

Suchen Sie heute grundsätzlich andere Profile als früher?

Ja, die Berufsbilder haben sich stark gewandelt, sodass man heute beispielsweise nicht mehr ohne IT-Verantwortlichen auskommt. Neue Anforderungen und neue Berufe wurden geschaffen. Vor rund zehn Jahren hatten wir noch keinen eigenen Geometer, und heute beschäftigen wir gleich deren zwei.

 

Die Beispiele, die Sie erwähnen, haben mit der Digitalisierung zu tun. Ab welchem Zeitpunkt sollte diese Thematik in die Ausbildung einfliessen?

Die Digitalisierung sollte bereits in die Berufslehre einfliessen. Schreiner und Zimmermänner beispielsweise werden bereits heute an digitalen Maschinen ausgebildet. Dies wird auch in unseren Berufen kommen. Ich spreche hier nicht von BIM, das im Bauhauptgewerbe noch nicht vollständig implementiert ist, sondern von auf der Baustelle alltäglichen Dingen, wie beispielsweise Pläne oder die Logistik, die beide bereits digital sind.

 

Nicht alle Unternehmen haben dieselben Bedürfnisse. Braucht es etwa brancheneigene Zertifizierungen der Weiterbildung nach dem Vorbild der Kran- und Baumaschinenführer?

Das wäre in der Tat eine gute Sache, denn so hätten die Unternehmen eine gewisse Sicherheit bezüglich Berufskenntnissen in gewissen Bereichen, die in der Grundbildung nicht abgedeckt werden.

 

Haben Sie in Ihrer Unternehmung Personalentwicklungsmassnahmen implementiert?

Ein eigentliches Personalentwicklungsprogramm haben wir nicht, nein. Bei uns läuft das eher auf der informellen Schiene, beispielsweise, wenn wir feststellen, dass ein junger Mitarbeiter Entwicklungspotenzial hat. Zudem stellen wir viele Leute ein, die on-the-job gelernt haben und über keine formelle Grundbildung verfügen. Diese Mitarbeitenden bilden wir in unseren Prozessen aus, damit sie den Anforderungen der Firma entsprechen. Jedes Jahr bilden wir mehrere Mitarbeitenden gemäss Artikel 32 aus, um ihnen zu ermöglichen, berufsbegleitend ein EFZ zu erlangen. Diese Ausbildung ist eine ideale Ergänzung der Kenntnisse, die sie sich in der Praxis angeeignet haben. Die meisten Mitarbeitenden mit einem solchen Profil bleiben in der Regel im Unternehmen und bilden sich manchmal auch noch weiter.

 

Was unternehmen Sie sonst noch in Sachen Mitarbeiterbindung?

Wir haben eine geringe Fluktuation und eine gutes Arbeitsklima. Man kennt sich, und die Hierarchien sind sehr flach. Zudem holen wir die Meinungen der Leute ein, bevor wir Entscheidungen treffen. Das trägt sicherlich zur Mitarbeiterbindung bei. Ebenfalls geben wir gewissen Kadermitarbeitenden die Möglichkeit, einen Tag pro Woche von zuhause zu arbeiten, und wir überlegen uns aktuell, diese Möglichkeit auf mehr Mitarbeitende auszuweiten. Dies hängt jedoch nicht nur vom Job ab, sondern auch von der Person. Des Weiteren sind wir offen für Teilzeitpensen. Wir haben beispielsweise erst kürzlich einer Bauführerin, die zum zweiten Mal Mutter geworden ist, ein Teilzeitpensum ermöglicht. In unseren Berufen sind Teilzeitpensen weiterhin sehr kompliziert in der Umsetzung und daher nicht immer möglich. Aber es ist eine gute Art, um die Mitarbeitenden zu halten.

Über den Autor

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Susanna Vanek

Redaktorin / Spezialistin Kommunikation

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